Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung
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Geschichte des Lehrstuhls

Quellen:
Joachim Boessneck
(Chronik der Tierärztlichen Fakultät, 1972)
und
Angela von den Driesch
(200 Jahre tierärztliche Lehre und Forschung in München, 1990)

zusammengetragen von Caroline Wöhr und Michael Erhard

1921 genehmigte der Bayerische Landtag die Errichtung einer ordentlichen Professur für Hygiene an der Tierärztlichen Fakultät. Damit erreichten Bestrebungen ihr Ziel, die schon auf den Anfang der Amtszeit von Dr. med. h. c. Dr. med. vet. H. c. Theodor Kitt, (allg. Pathologie, pathologische Anatomie und Seuchenlehre) zurückgehen. Den letzen Anstoß, den Unterricht in der Tierhygiene auszubauen, gab die neue tierärztliche Prüfungsordnung von 1913. Sie führte das Fach Tierhygiene als eigenes Prüfungsfach ein. Die Fakultät erteilte daraufhin 1914 an Dr. med. Karl Süpfle, Privatdozent an der Medizinischen Fakultät, einen entsprechenden Lehrauftrag. Dr. Süpfle übernahm auch 1922 die neugeschaffene ordentliche Professur. Bedingt durch die Inflation musste der ursprüngliche Gedanke, ein eigenständiges Gebäude für das Institut zu errichten, fallengelassen werden. Immerhin ließ es sich durchführen, das Mittelgebäude der Kliniken an der Königinstraße aufzustocken. Seit 1923 bis nach dem zweiten Weltkrieg war das Tierhygienische Institut in diesem Oberstock untergebracht.

Mit der Inbetriebnahme des Instituts für Tierhygiene erreichte die Aufgliederung der Fachprofessuren, Institute und Kliniken bis Jahre nach dem Neuaufbau nach dem 2. Weltkrieg ihren Höhepunkt.

Als Dr. Süpfle 1927 einem Ruf an die Technische Hochschule Dresden folgte, übernahm das Ordinariat für Hygiene im Herbst 1927 der bisherige Direktor der Veterinärpolizeilichen Anstalt Schleißheim Professor Dr. med. vet. Wilhelm Ernst. Als unter dem nationalsozialistischem Regime der Fakultät wie auch der Universität das Recht auf Selbstverwaltung weitgehend genommen wurde, wurde der Dekan nicht mehr von den Professoren der Fakultät gewählt, sondern von der Regierung bestellt. Sie setzte 1935 Dr. Ernst als Dekan ein, der diese Funktion bis zum Kriegsende behielt und darüber hinaus in den Jahren 1936-1941 Prorektor der Universität war. Er gehörte zu den 3 Professoren, die bei Schließung des Lehrbetriebes zu Kriegsbeginn nicht eingezogen wurden.nach oben

Tierärztliche Fakultät 30iger Jahre

Tierärztliche Fakultät in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Ansicht von Südwesten.

1-2 (1896-1900) Chirurgische Klinik – 2 Tierzucht, Zoologie, Botanik (bis 1928), Hygiene (3. Obergeschoß seit 1923), Bibliothek – 2-3 (1896-1900) Medizinische Klinik – 4 (1902) Hufkunde, Hufbeschlagsschule – 5 (1865) Anatomie, Pathologie – 6 (1902) Geburtshilfe, Klinik für kleine Haustiere – 7 (1891/92) Physiologie, Pharmakologie – 8 Verwaltung

1937 habilitierte sich der Assistent am Tierhygienischen Institut und spätere Pathologe Dr. med. vet. Hans Sedlmeier für Hygiene, Bakteriologie, Fleischbeschau und Milchhygiene. 1943 bekam er den Titel eines außerplanmäßigen Professors verliehen.

Bei Ausbruch des Krieges im September 1939 wurde die Tierärztliche Fakultät als einzige Fakultät der Universität München geschlossen. Trotz intensiver Bemühungen war es auch nicht möglich, während des Krieges eine Wiedereröffnung zu erreichen. In den letzten beiden Kriegsjahren wurden dann die Gebäude der Fakultät bombenvernichtet oder bombenbeschädigt. Herr Dr. med. vet. Melchior Westhues, der seit 1931 den Lehrstuhl für Chirurgie mit Augenheilkunde und Geschichte der Tierheilkunde inne hatte, fasste die Situation folgendermaßen zusammen: „Die Institute für Anatomie, Pathologie, Physiologie, Pharmakologie, Zoologie, Tierzucht und Hygiene sind vollkommen vernichtet (…). In der Geburtshilflichen Klinik sind alle Stallräume für die großen Haustiere verloren gegangen (…).“nach oben

Die ab 1945 aus dem Krieg zurückkehrenden Mitglieder des Kollegiums fanden in der am wenigsten bombenbeschädigten Chirurgischen Klinik die Möglichkeiten eines Wiederanfangs. Westhues stellt die Räumlichkeiten seiner Klinik zur Verfügung, damit in ihr die Vorklinischen Fächer wahrgenommen werden konnten. Er selbst zog in das „Wehrkreis-Pferdelazarett“  auf dem Oberwiesenfeld, das im wesentlichen unversehrt erhalten geblieben war und übernahm es in eigener Regie unter dem Namen „Münchener Tierklinik“.

Im Wintersemester 1946/47 nahm die Fakultät dann wieder ihren Lehrbetrieb auf. Westhues schrieb: „Die Vorlesungen und Präparierübungen in der Anatomie nahmen nun, als die ersten Studenten hereinströmten, auf dem Oberwiesenfeld einen großen Raum ein. Die Hallengarage am Ende des Klinikplatzes auf dem Oberwiesenfeld wurde als `Theatrum anatomicum´ hergerichtet. (…)“. Die kommissarische Leitung des Tierhygiene-Instituts, das zu dieser Zeit erst wieder aufzubauen war, übernahm 1947 Professor Dr. Michael Rolle, der seit 1939 ordentlicher Professor für Mikrobiologie und Tierseuchenlehre an der Universität Riga war.

Anfang der fünfziger Jahre, vor der Errichtung der großen Neubauten, waren alle Institute und Kliniken notdürftig wieder untergebracht. Der große Mittelbau nahm das Dekanat, die Fakultätsbibliothek, Staatsveterinärmedizin und Geschichte der Tiermedizin, Tierzucht, Zoologie und Parasitologie im Verein mit der Biologischen Versuchsanstalt sowie Tierhygiene auf. 1953 konnte mit dem ersten wirklichen Neubau der Fakultät begonnen werde, dem imponierenden Klinikum auf dem Gelände der ehemaligen Hofbaumschule. Die Tierhygiene wurde zusammen mit der Pathologie in dem eigens neu gebauten Gebäude untergebracht. Die Errichtung dieses Neubaus verdankt die Fakultät dem damaligen Mikrobiologen Prof. Dr. med. vet. Adolf Meyn. Die Institute wurden 1960 eingeweiht.

Bis 1955 leistete Rolle als kommissarischer Leiter des Tierhygienischen Instituts Pionierarbeit bei dessen Aufbau. Sein Nachfolger war seit 1955 Professor Dr. med. vet. Adolf Meyn, der aber schon 1962 erst 64jährig verstarb. Rolle übernahm nochmals kurz die kommissarische Leitung, bis 1963 der leitende Direktor der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere, Tübingen, Professor Dr. med. vet. Anton Mayr den Lehrstuhl für Mikrobiologie und Seuchenlehre und die Leitung des Instituts für Mikrobiologie und Infektionskrankheiten der Tiere übernahm.

Durch die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft sich auch für die Tierärzte eine neues Aufgabenfeld eröffnete: neben der kurativen Tätigkeit mussten sie sich nun auch zunehmend systematisch mit dem Umfeld der Tiere, der Tierhaltung auseinandersetzen. Ziel war und ist, durch eine Kontrolle und Verbesserung aller Umweltfaktoren die krankmachenden Einflüsse zu vermeiden und damit im Rahmen einer modernen Tierhygiene entscheidende wissenschaftliche und praktische Impulse für eine tiergerechte und wirtschaftliche Haltung insbesondere landwirtschaftlicher Nutztiere zu liefern.nach oben

fakultaet_1970

Daher erfolgte eine Umbenennung des Lehrstuhls und der Institutsbezeichnung in und eine Abtrennung vom Lehrstuhl für Mikrobiologie und Seuchenlehre.  Das nun neu gegründete Institut für Tierhygiene wurde dann 1964 von dem Rolle-Schüler vom neuen Lehrstuhlinhaber Professor Dr. med. vet. Dr. med. vet. h. c. Johann Kalich übernommen mit seinem Sitz auf dem Oberwiesenfeld. Im Jahre 1974 wurde das Institut für Tierhygiene als Lehrstuhl für Tierhygiene gemeinsam mit den Lehrstühlen für Tierzucht und für Haustiergenetik zum Institut für Tierzucht und Tierhygiene zusammengeschlossen.

Nach der Emeritierung von Prof. Dr. med. vet. Dr. med. vet. h. c. Johann Kalich und einer zwischenzeitlichen kommissarischen Leitung durch Prof. Dr. agr. Horst Kräußlich  übernahm 1985 Prof. Dr. med. vet. Jürgen Unshelm, bisheriger Lehrstuhlinhaber für Tierhaltung an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel, den Lehrstuhl. Mit dessen Übernahme wurde bereits die Erweiterung um den im Rahmen der tierärztlichen Aus- und Fortbildung verankerten Bereich des Tierverhaltens beantragt, woraus sich die neue Lehrstuhlbezeichnung `Tierhygiene und Verhaltenskunde´ ergab. Diese vorsorgliche Maßnahme erwies sich als sehr hilfreich, nachdem es 1986 gelang, in der Approbationsordnung für Tierärzte das neue Fach Tierschutz und Verhaltenskunde zu etablieren, das damit nur an der Münchner Tierärztlichen Fakultät von vornherein in Lehre und Forschung vertreten war. Im Jahre 1993 erfolgte die Ergänzung der Institutsbezeichnung um das Fachgebiet Tierschutz.

OWF

Da bei der Übernahme des Lehrstuhls außer den Stallungen nur unzureichende Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung standen, mussten zuerst die baulichen Voraussetzungen für die Unterbringung des Lehrstuhls mit den beiden Arbeitsgebieten Tierhygiene sowie Tierschutz und Verhaltenslehre geschaffen werden. So entstand bis zum Jahr 1988 auf dem Gelände am Oberwiesenfeld zunächst ein Labortrakt (s. Abb. 3), der vorübergehend auch zur Aufnahme provisorischer Arbeits-, Auswertungs- und Bibliotheksräume genutzt werden musste. 1990 kam dann noch ein Erweiterungsbau für die Aufnahme der Verwaltung und Büros dazu.

Als Herr Professor Unshelm emeritiert wurde, übernahm vom April 1999 bis April 2001 Herr Prof. Dr. med. vet. Rudolf Stolla, Leiter der Gynäkologischen und Ambulatorischen Tierklinik, die kommissarische Leitung des Lehrstuhls.

Im Mai 2001 wurde Herr Prof. Dr. Dr. med. vet. Michael Erhard auf den Lehrstuhl berufen und übernahm das mittlerweile in Institut für Tierschutz, Verhaltenskunde und Tierhygiene umbenannte Institut am Oberwiesenfeld. Herr Professor Erhard hatte sich 1995 in München bei Herrn Professor Stangassinger, am Institut für Physiologie, Physiologische Chemie und Tierernährung für das Fachgebiet Physiologie habilitiert und hatte seit 1999 die Professur für Ernährungsphysiologie an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig inne. Der Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierhaltung gehört nun zum Veterinärwissenschaftlichen Department der Tierärztlichen Fakultät.nach oben

Bereits im Jahr 2002 begannen dann die Verhandlungen zum Umzug des Lehrstuhls vom Oberwiesenfeld zurück an das Stammgelände der Tierärztlichen Fakultät in das Gebäude, das seit 1902 existiert und das älteste Gebäude der Fakultät darstellt.

Dieses Gebäude hat im Laufe seiner Geschichte die Geburtshilfe und die Klinik für kleine Haustiere beherbergt, gefolgt von der Verwaltung, dem Institut für Nahrungsmittelkunde und dem Institut für Paleoanatomie. Zuletzt war dann dort das Institut für Nahrungsmittelkunde und Technologie der Milch  untergebracht (s. Abb. 4), die dann im Jahr 2004 nach Oberschleißheim gezogen sind.  Bis zu den Renovierungsarbeiten stand das Gebäude leer und konnte dann im März 2009 vom Lehrstuhl für Tierschutz, Verhaltenskunde, Tierhygiene und Tierschutz bezogen werden. Die offizielle Einweihungsfeier fand am 24. Juli 2009 statt.